Skulptur

Bewegende Kraft

Das Material Ton birgt für die Keramikkünstlerin Jutta Körner eine archaische Kraft. „Dieser Kraft möchte ich eine Gestalt verleihen, ohne ihr Gewalt anzutun“, betont die Künstlerin. Das Material redet quasi mit, und so entsteht die Gestalt in einer Zwiesprache und in einer Auseinandersetzung zwischen Material und Künstlerin. Keine einfache Beziehung, denn der Ton lässt sich zwar formen, doch gleichzeitig fordert er, sperrt sich, macht Einwände und stellt Ansprüche. Es entspinnt sich ein gemeinsames Spiel, nach dessen wechselnden Regeln ein neues Kunstwerk Gestalt annimmt. „Die Finger spüren die Figur, lange bevor der Kopf es begreift“, berichtet Jutta Körner. Um die Kraft des Tones umzusetzen, fahnden die Finger der Künstlerin nach ebenso kraftvollen Szenen – und stoßen dabei immer wieder auf zwei Themen: den Stier und den Tango, beides Ausdruck von kraftvoller und beherrschter Bewegung. „Ich mag das Unberechenbare, sowohl des Stieres als auch des Tanzes, denn ich möchte mich überraschen lassen. Die Spannung hält an, bis ich die die Ofentür öffne und das Ergebnis sichtbar wird“, so die Künstlerin. Auch in den letzten Schritten, dem Überarbeiten der Linien, Flächen und Kanten, dem Polieren der Oberflächen und nicht zuletzt in der farblichen Gestaltung findet eine weitere Auseinandersetzung mit der Skulptur statt. Bis zu dem Moment, an dem sich die Skulptur von der Künstlerin zu lösen scheint. Dann ist sie bereit für weitere Zwiesprachen mit anderen Betrachtern. Je nach Blickwinkel, Haltung und Bewegung entspinnen sich so immer wieder neue Unterhaltungen, deren Kern vorsprachlich ist und von denen eine spürbare ursprüngliche Kraft ausgeht.

Dr. Fabienne Hübener